Wenn sich Gott auf unsere Welt einlässt
Weihnachten ist zwar ein christliches Fest, aber so, wie wir es heute feiern, ist es auch von Bräuchen und Ritualen geprägt, die nicht aus der christlichen Tradition stammen. Manchmal sind sich nicht einmal die Wissenschaftler einig, ob ein Brauch nun christlichen Ursprungs ist oder nicht. Die einen vertreten etwa die Ansicht, dass der Weihnachtsbaum aus dem römischen Mithraskult übernommen wurde, während andere diesen Brauch auf den Lebensbaum in der biblischen Paradieserzählung zurückführen. Mit dieser Unschärfe müssen wir leben, und ich denke, dass sie auch inhaltlich gesehen ihre Berechtigung hat. Schließlich feiern wir an Weihnachten, dass Gott sich auf unsere Welt einlässt. Dann darf etwas von dieser Welt auch auf das Weihnachtsfest abfärben.
In einem früheren Weg-Wort über unsere Krippe aus Peru habe ich die Figur der Erdmutter schon einmal erwähnt. Sie wird auch Pachamama genannt. Etliche Kapellenbesucher halten sie für Maria, denn mit ihrem weit geöffneten Mantel erinnert sie an Darstellungen der Schutzmantelmadonna. Bei genauem Hinsehen entdeckt man drei Kokablätter, die die Erdmutter vor ihr Gesicht hält.
Der Kokastrauch spielt in der Kultur der indigenen Bevölkerung eine wichtige Rolle. In Peru kommen Menschen bei Arbeitspausen zum Kauen von Kokablättern zusammen. Die ausgekauten Blätter werden nicht einfach ausgespuckt, sondern unter einen Stein gelegt, um sie der Erde wieder zurückzugeben; und indem man drei Blätter – so wie auf dem Bild – vors Gesicht hält und hineinbläst, erbittet man sich Segen für die Zukunft.
Die für uns hier in Europa ungewöhnliche Ausweitung der diesjährigen Krippe interpretiere ich so, dass für ihren Künstler die Freude über die Geburt des Erlösers dieser Welt und die Freude über diese Erde und alles, was sie hervorbringt, zusammengehört.