Werther oder Papageno

Es gehört zu den besonders tragischen Aspekten des Menschseins, wenn jemand keinen anderen Weg mehr sieht, als sich selbst das Leben zu nehmen. Existenzielle Krisen, übermässige Belastung, Krankheit und Verlust können das Fundament der eigenen Existenz zutiefst erschüttern. Ein Lichtblick in solchen Situationen sind Hilfsangebote wie das Telefon der Dargebotenen Hand mit der Nummer 143 oder die Website «www.reden-kann-retten.ch».

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen die öffentlichen Medien. Nachweislich führt explizite Berichterstattung, die einen Suizid als Sensation verkauft, zur Zunahme von Nachahmungstaten. Man spricht hier vom «Werther-Effekt» und bezieht sich dabei auf Goethes Briefroman «Die Leiden des jungen Werthers», in welchem die unglücklich verliebte Hauptfigur sich das Leben nimmt. Mit der Verbreitung des Romans sollen damals die Selbsttötungen zugenommen haben.

Papageno in einer Aufführung an der Pepperdine Universität; Bildquelle: Wikimedia Commons.

Dem gegenüber steht der sogenannte «Papageno-Effekt», der sich auf den Vogelfänger im Singspiel «Die Zauberflöte» bezieht. Dieser will sich aus Verzweiflung über den vermeintlichen Verlust seiner Geliebten umbringen. Der ermutigende Zuspruch von drei Knaben bringt ihn von dieser Absicht ab und schliesslich findet er seine Liebe. Der «Papageno-Effekt» beschreibt die positive Wirkung, wenn Medien mehr über Bewältigungsstrategien für suizidale Gedanken berichten.

Medienschaffende haben Einfluss mit dem, was sie schreiben oder senden, ganz besonders auf Menschen in labilen Situationen. Das bringt Verantwortung mit sich. Wir können vom «Papageno-Effekt» lernen und selbst einen Beitrag leisten, indem wir einander mehr darüber erzählen, was uns im Leben Schwierigkeiten bereitet hat, und auf welchen Wegen wir diese überwunden haben. Gepaart mit echter Aufmerksamkeit und Anteilnahme kann dies Wunder bewirken.