Wolke in der Kirche

Wenn man die Predigerkirche in Basel besucht, sieht man im Chor und über dem Altar – frei im Raum hängend – ein unerwartetes Objekt. Tatsächlich: Das ist eine Wolke! Aus Glas geblasen und teilweise sandgestrahlt. Eine Wolke, und kein Kreuz, keine Christusdarstellung, wie man es eher erwarten würde.

Das Kunstwerk befindet sich seit August 2022 dort und wurde von derselben Künstlerin geschaffen, deren Arbeit „Listen to the Flowers“ im Weg-Wort vom 14. September Thema war: Ursula Palla. Die christkatholische Kirche Basel-Stadt hat die „Wolke“ aus verschiedenen Vorschlägen zur Neugestaltung des Altarraums ausgewählt. Das ist bemerkenswert! Wolken verdecken ja etwas. Sie verhindern Sichtbarkeit. Nach jüdisch-christlichem Verständnis sind sie deshalb auch ein Zeichen für die Unsichtbarkeit Gottes.

Im 14. Jahrhundert hat ein unbekannter Mensch die mystische Schrift „Die Wolke des Nichtwissens“ verfasst. Der Text weist die Lesenden an, sich durch Übungen möglichst weit von allem zu lösen, was unsere Wirklichkeit im irdischen Leben bestimmt: vom rationalen Denken in Worten und von den Wahrnehmungen. Damit soll ein Zustand innerer Leere erreicht werden. Man soll „die Wolke des Vergessens“ unter sich ausbreiten. Je weiter man darin gelangt, desto tiefer dringt man in die „Wolke des Nichtwissens“ ein. Dort gerät man in die Nähe Gottes. Dieses Geschehen aber spielt sich jenseits der uns zur Verfügung stehenden Kategorien des Erkennens ab. „Mehr kann ich darüber nicht sagen, weil sich diese Erfahrung nicht in Worte fassen lässt“, heisst es in der Schrift.

An diese Unergründlichkeit des göttlichen Geheimnisses muss ich denken, wenn ich Ursula Pallas „Wolke“ sehe. Ein mutiges Zeichen, das sich diese Kirche hat geben lassen!

Abb: Ursula Palla, Wolke, 2022, Predigerkirche Basel. Foto: Privat