Woran glaube ich, was stützt mich?

Für die Reihe von Gastbeiträgen unter dem Motto «Gott, wie ich ihn/sie sehe» hat unsere Freiwillige Mitarbeiterin Ursula Weilenmann folgenden Beitrag geschrieben:

Als mein einziger Bruder 64jährig überraschend nach einer Herzoperation gestorben ist, hätte ich gerne in einer Religion Halt gefunden, ebenso bei der schweren Krebserkrankung meines Lebenspartners vor fünf Jahren. Ich wurde christlich geprägt und interessiere mich aber auch für andere Religionen. Vergeblich habe ich zu beten versucht. Das kann doch aber nicht einfach in Zeiten grosser Not und Bedürftigkeit auf Knopfdruck klappen? Irgendwie war mir jedoch auch bewusst, dass mein Bruder nicht einfach weg ist. Er begleitet mich manchmal in dem, was wir gemeinsam gemacht und geliebt haben, in der Natur, den Bergen, dem Humor und in der facettenreichen und ausdrucksstarken spanischen Sprache, die wir zusammen am Lernen waren.

Religiös bezeichne ich mich selbst als Suchende, als Agnostikerin und kritischen Menschen, diesbezüglich habe ich meine Heimat noch nicht eindeutig gefunden. An ein Paradies glaube ich nicht, an unser menschliches Erdenreich und an das Gute im Menschen – trotz der vielen menschengemachten Kriege – sehr wohl. In der Natur bin ich regelmässig und gerne unterwegs, bewundere im Wald die unterschiedlichen Grüntöne und lausche dem Zwitschern der Vögel auf unserem Balkon. In der Natur erlebe ich in kleinen Glücksmomenten die Anwesenheit meines toten Bruders.  Stark halten darf ich die klitzekleinen Momente jedoch nicht. Sonst huschen sie schnell weg.

Quelle: pixabay

In meinem Einsatz als Freiwillige in der Bahnhofkirche werde ich angeregt und aufgefordert, mich mit meinem Suchen auseinanderzusetzen. Was stützt, was erdet mich? Was tut mir gut und was nährt mich Tag für Tag? Die facettenreichen Weg-Worte des Seelsorgeteams inspirieren mich ebenso, wie die unterschiedlichen Menschen, welche die Bahnhofkirche mit ihren Besuchen bereichern. Gerne zünde ich für meinen kranken Partner und mich Kerzen an, schaue dafür, dass das Friedenslicht nicht erlischt und verweile oft kurz unter dem dicken freundlich bunten Schutzengel von Nicki de Saint Phalle in der Bahnhofshalle. Oder ich höre dem Gezirpe der Bahnhofs-Spatzen zu.