Zeit für Wesentliches
Seit Aschermittwoch schmückt das Hungertuch des nigerianische Künstlers Emeka Udemba wieder den Raum der Stille in der Bahnhofkirche. Es ist dasselbe wie in der letztjährigen Fastenzeit und es bringt einen Farbtupfer in unseren Gebetsraum. Seit dem hohen Mittelalter gibt es die Tradition der Fastentücher, wie sie auch genannt werden. Ursprünglich verhüllten sie in Kirchen während der Fastenzeit Kreuzesdarstellungen und Altäre. Mit der Zeit wurden sie mit biblischen Szenen bemalt und dienten so der Erbauung der Kirchenbesuchenden. 1976 griff das deutsche Hilfswerk Misereor den Brauch auf und veröffentlicht seitdem jedes zweite Jahr ein Hungertuch von Künstlerinnen und Künstlern aus Afrika, Lateinamerika und Asien.
Emeka Udemba gestaltet seine Vorlage als Collage aus Schichten von Zeitungsschnipseln, Klebstoff und Acrylfarbe. «Darf’s noch etwas mehr sein», «Mich interessiert der Mensch», «Mensch und Tier», «Farbe bekennen», «Mehr Geld zum Beispiel» ist dort zu lesen, so wie das Gewirr der vielfältigen Stimmen der Welt. Während der Hintergrund in Rot gehalten ist, bilden die Schnipsel in der Mitte eine bläuliche Kugelform, umgeben von Händen, die sie halten oder einander weiterreichen.
Spontan kommt mir beim Betrachten die Frage: Welche Art von Welt möchte ich übergeben, werde ich weitergeben? Welche ist meine Stimme in dem Ganzen? Was ist mein Beitrag für einen lebenswerten Planeten? Wir sollten auch die kleinen Versuche wertschätzen: Sie können Inspiration und Anstoss sein, durch die etwas in Bewegung kommt. Die 40 Tage der Fastenzeit und das Hungertuch laden uns ein, uns unserer Bedeutung bewusst zu werden und uns auf Wesentliches zu fokussieren.