40 Tage zum Leben

Sind die 40 Tage vor Ostern eine Zeit der selbst auferlegten Einschränkungen worauf die Bezeichnung Fastenzeit weist oder gar des Leidens, wie es der Name Passionszeit nahelegt? Die Leidensmystik scheint dem Christentum tief in den Knochen zu stecken, und für viele unterstreicht es der heutige Lesungstext aus dem neunten Kapitel des Lukasevangeliums, wo Jesus zu den Menschen diese Worte sagt:

Ausschnitt eines Fotos von mduss auf Pixabay

«Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?» – Jesus der Schmerzensmann, der von uns dasselbe verlangt? Dieses Verständnis erscheint mir einseitig. Es blendet die dem Leben zugewandte, befreiende und heilende Seite Jesu aus. Wenn ich den Text mit Blick auf den ganzen Jesus lese, kommt mir folgende Botschaft entgegen:

Es wird mich auf Dauer unzufrieden machen, mein Leben in der Komfortzone einzurichten und «auf sicher» zu spielen. Meinen höchsten Zielen und Werten zu folgen, wird mich hingegen herausfordern, mich in unangenehme und unkontrollierbare Situationen bringen und mir sogar Nachteile einhandeln. Dass ich mich trotzdem tagtäglich darauf einlasse, das ist die grosse Übung, die zu mehr Tiefe und Erfüllung führt. Die bequemen Anteile in mir haben tausend Strategien, das zu vermeiden: Zweifel, Müdigkeit, Ablenkung, Anhäufen von Materiellem und viele andere. Die kommenden 40 Tage laden mich ein, dass ich vor diesen Strategien nicht kapituliere, sondern mich beharrlich darauf einlasse zu entdecken, was «Leben in Fülle» bedeutet.