Jesus ohne Kreuz
Letzte Woche habe ich ein Weg-Wort mit dem Titel „Kreuz ohne Jesus“ geschrieben. Darin habe ich gefragt, ob sich die Kreuzigung überhaupt angemessen darstellen lässt und meine Vorliebe für die Verwendung des Kreuzes ohne Jesus erklärt. Dieses verweise auf die Gegenwart des auferstandenen Jesus, die letztlich nicht zeigbar sei. Er sei nicht am Kreuz hängen geblieben.
Das heutige Weg-Wort zeigt Jesus ohne Kreuz. Es handelt sich um eine Holzskulptur an der Chorwand der St. Katharinakapelle im Kloster Fischingen. Dieser Jesus ist nicht an ein Kreuz, sondern an die Wand genagelt. Ein Gekreuzigter ohne Kreuz? Oder vielmehr die an der Wand befestigte Skulptur eines Schwebenden? Oder eines Segnenden? Oder eines segnenden Schwebenden?
In dem bescheiden ausgestatteten Raum vermittelt die Figur eine Ahnung von Leichtigkeit und Geborgenheit. Es ist verblüffend, wie das Fehlen des Kreuzes die Wirkung des Gekreuzigten verändert! Ich weiss um das Kreuz und kann es mir hinter seinem Körper vorstellen. Aber es ist nicht mehr da.
Hier habe ich es zwar mit einer Darstellung Jesu zu tun. Aber in ihrem hölzernen Braungrau, der Schlichtheit und starken Stilisierung weist auch sie – wie das Kreuz ohne Jesus – auf den hin, dessen Gegenwart sie eben nur anzeigt, auf den, der nicht am Kreuz hängen geblieben ist und dessen segnende, bergende Präsenz wir manchmal ahnen.
Abb: Christusskulptur, St. Katharinakapelle, Kloster Fischingen, Schweiz. Foto: Privat