ABC – V wie Verspätung

Das Leben hat immer wieder Überraschungen bereit. Neulich eine Zugsverspätung, die nicht nur mich aus der Alltagsroutine geworfen hat.

Bildquelle: BAV-admin.ch

«Unbestimmte Verspätung», diese Anzeige neben der Abfahrtszeit meines Zuges war nicht sehr verheissungsvoll. Die Durchsage, dass der Zug noch in Luzern steht, war ebenfalls wenig ermutigend.

Es war zu früh am Morgen, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Viele waren gestresst, sie suchten auf dem Handy eine alternative Reisemöglichkeit oder meldeten ihre Verspätung am Arbeitsplatz oder ihren Freundinnen und Freunden oder ihrer Familie.

Trotzdem gab es eine Art Vertrautheit. Wir waren alle Verbündete, Gestrandete. Da tauschten wir ein Kopfschütteln und dort mussten wir schmunzeln, weil wir gerade am Telefon dasselbe weitergaben. Auf dem Perron trafen immer mehr Menschen ein, und alle teilten wir dasselbe Schicksal: Warten auf den Zug.

Die Auswirkungen waren bestimmt sehr unterschiedlich: Verpasste Anschlusszüge oder Flüge, verpasste Sitzungen, Verspätungen bei der Arbeit, zu Wanderungen und Verabredungen. 

Bei aller Nervosität, die aufkam, spürte ich auch eine Schicksalsergebenheit. Ich habe keinen Einfluss darauf, wann der Zug oder ein Ersatzzug kommt. Ich darf mich in Gelassenheit üben.

«Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.»

Dieses bekannte Gebet, das ursprünglich vom US- Amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr verfasst wurde, liess mich in dieser Situation Gelassenheit üben. 

Mit einer Stunde Verspätung erreichte ich Zürich.