Aus der Stille schöpfen
Inzwischen ist der Achtsamkeitskurs, den ich besucht habe, zu Ende. Regelmässig übten wir dort, in der Stille zu meditieren, und wir verbrachten in der Stadtoase Zürich sogar einen ganzen Tag im Schweigen. Ein paar der Teilnehmenden berichteten, dass es ihnen schwerfiel, über solch einen Zeitraum mit niemandem in Kontakt zu kommen und auf ihr Smartphone zu verzichten.
Als ein eher introvertierter Mensch hat mir der Achtsamkeitstag durchaus gefallen, und Zeit mit mir allein tut mir oft gut. Zugleich beobachte ich, wie die Stille andererseits auch etwas Beunruhigendes hat, dem ich auf alle möglichen Weisen zu entfliehen versuche, etwa mittels des Radios oder sozialen Medien.
Was macht es mir manchmal so schwer, im Alltag Stille auszuhalten und einfach da zu sein? Ist es die Gewöhnung an einen gewissen Geräuschpegel, dem wir so oft ausgesetzt sind? Oder der Drang nach Ablenkung, der aus dem Bedürfnis nach Neuem, Interessantem und Unterhaltsamem erwächst? Es scheint mir ganz besonders daraus zu resultieren, dass mir in der Ruhe all meine inneren Stimmen bewusst werden, und ich ihnen nicht mehr ausweichen kann.
In solchen Momenten merke ich, dass die plappernden und kommentierenden Gedanken fast immer da sind, ich sie entweder verdrängen oder ihnen nachgeben kann. Es gibt einen dritten Weg: mich dem gegenwärtigen Augenblick zuzuwenden, etwa durch Beobachtung der Körperempfindungen oder des Atems. Es ist mir schon passiert, dass dabei die Stille und Leere das Bedrohliche verloren hat, eine Art Verbundenheit spürbar wurde und Unerwartetes sich zeigte. Inzwischen glaube ich, dass diese Leere eine göttliche Quelle ist, aus der wir jederzeit schöpfen können. Vermutlich ist auch dies ein Grund, warum viele Menschen den Raum der Stille in der Bahnhofkirche so sehr schätzen.