Die Zartheit von Vogelhäuschen

Aus einer Laune heraus habe ich mir für diesen Advent nach ewig langer Zeit mal wieder einen Adventskalender gekauft. Das Törchen für den 1. Dezember brachte das Bild eines Vogelhäuschens zum Vorschein. Ich war gerührt. Erinnerungen an meine Kindheit wurden wach, als die Mutter solch ein Häuschen auf dem Balkon installierte und dafür sorgte, dass es immer etwas Gutes zu picken gab. Und wir Kinder haben hinter der Balkontür beobachtet, wie die Spatzen, Meisen und Amseln zu Besuch kamen.

Man mag einwenden, dass dies einer reichlich rührseligen Romantik von Stadtmenschen entspringe und eigentlich einen unnötigen Eingriff in den Kreislauf der Natur darstelle. Es gehöre eben zur Natur, dass schwache Tiere im Winter sterben. Grundsätzlich jedoch seien Vögel, die in unseren Breitengraden überwintern, überlebensfähig.

Für mich steckt aber mehr in dieser Geste des Fütterns. Eine zarte Achtsamkeit, die nicht einfach naiv ist: Menschen nehmen hier Mitgeschöpfe wahr, wenden sich ihnen zu und kümmern sich um sie. Und Kinder lernen Tiere in ihrer unmittelbaren Lebenswelt kennen.

Eine kleine Recherche im Internet hat mir gezeigt, dass die Frage nach dem Sinn oder Unsinn von Vogelhäuschen nicht eindeutig zu beantworten ist. Neben den Stimmen, die sie unnötig finden, gibt es die, welche auf die Veränderungen unserer Lebenswelt hinweisen. Pestizide vermindern das natürliche Futterangebot der Vögel, fehlende Hecken und Sträucher führen zum Verlust von schützenden Lebensräumen, gerade im Winter. Vielleicht ist solch ein Vogelhäuschen also nicht nur sentimental, sondern auch sinnvoll.

Foto: Vogelhäuschen, Nicolai Schäfer; 2005, Wikimedia Commons.