Ein Fenster zum Himmel

Runde Jubiläen grosser Persönlichkeiten werden meist auf den Geburts- oder den Todestag bezogen. Doch diese Termine sagen wenig aus über die Bedeutsamkeit dieser Menschen. Deshalb weise ich heute auf ein anderes Jubiläum hin: Vor 300 Jahren, am 30. Mai 1723, wurde Johann Sebastian Bach in das Amt des Kantors an der Thomaskirche in Leipzig eingeführt. Die Neubesetzung der Stelle gestaltete sich schwierig. Wunschkandidaten, die damals berühmter waren, sagten ab. Im Nachhinein ist es eine Fügung, dass sich die Leipziger mit dem Drittplatzierten «begnügen» mussten.

Porträt von Johann Sebastian Bach aus dem Jahr 1747. Das Notenblatt ist ein sechsstimmiger Rätselkanon, den man sowohl aus dem Blickwinkel des Porträtierten als auch des Bildbetrachters lesen kann.

Es ist kaum zu fassen, mit welchem Elan sich Bach an die Arbeit machte. Er hatte sich vorgenommen, in den ersten zwei Jahren für jeden Sonntag eine Kantate zu komponieren und zur Aufführung zu bringen. Dadurch hat er der Nachwelt einen unermesslichen kirchenmusikalischen Schatz hinterlassen.

Bach ist ein Meister der musikalischen Form. Er beherrschte die schwierigsten Kompositionstechniken so virtuos, dass sie nie gezwungen oder aufgesetzt wirken. Man ahnt schon beim ersten Hören, dass in dieser Musik mehr steckt. Er wollte, dass seine Musik auf Gott verweist. Das ist ihm auch gelungen. Dennoch wirkt sie nicht spekulativ oder abgehoben, sondern spricht auch auf der Gefühlsebene direkt an. Bach hat diese Balance zwischen dem Absoluten und der persönlichen Gefühlswelt in seiner Musik selbst beschrieben: Jede Musik muss zwei Zwecke erfüllen. Sie muss «zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüths seyn».

Für mich ist er der Grösste unter den Musikern.