Erkenntnisreicher Schicksalsschlag
Am 10. Dezember 1996 erlitt Dr. Jill Bolte Taylor einen Schlaganfall. Das Besondere daran war: Sie konnte den Vorgang über mehrere Stunden genau beobachten und als Hirnforscherin auch verstehen. Später erzählte sie, dass es sich um eine Blutung in der linken Hirnhälfte gehandelt hatte. Das Erlebnis verdeutlichte ihr, wie unterschiedlich die beiden Hälften des Gehirns funktionieren.
Die Wissenschaftlerin erwachte an jenem Morgen mit einem pulsierenden Schmerz hinter ihrem linken Auge. Ihr Körper funktionierte langsam und schwerfällig, seine Grenzen schienen sich aufzulösen. Zugleich stellte sich ein Gefühl des Glücks ein, eine Verbundenheit mit allem. Das war die Wahrnehmung der intakten rechten Hirnhälfte. Die linke verstummte zeitweise und machte einer friedvollen Stille Platz. Als sie sich wieder meldete, erkannte Dr. Bolte Taylor den Ernst der Lage. Unter grossen Schwierigkeiten telefonierte sie ihrem Kollegen. Sie wurde ins Krankenhaus gefahren und operiert. Erst nach längerer Zeit erholte sie sich ganz von dem Schlaganfall.
Dank der rechten Hirnhälfte erfährt sich eine Person mit der Welt und den Menschen verbunden und wird fähig, Liebe und Glück zu empfangen und zu schenken. Die linke Hirnhälfte funktioniert ganz anders: Sie analysiert, plant, und beurteilt. Sie ist die endlos plappernde Stimme in uns, sie konstruiert Geschichten und Identitäten und grenzt sich von anderen ab. Gewiss braucht es die linke Hirnhälfte für viele Aufgaben. Im Allgemeinen aber dominiert sie unsere Gesellschaft viel zu stark. Ihr Schlaganfall hat Jill Bolte Taylor überzeugt, dass wir der rechten Hirnhälfte mehr Gewicht geben können, und dass wir durch eine bessere Balance ein friedlicheres und glücklicheres Miteinander erreichen.
Abbildung aus einem TED-Talk auf Youtube. Jill Bolte Taylor erzählt ihre Geschichte selbst unter www.youtube.com/watch?v=UyyjU8fzEYU.