Geburtswehen

Eine grosse Herausforderung für den Glauben ist die Frage angesichts von Leid und Grausamkeit in der Welt: «Wie kann Gott das zulassen?» Muss man nicht entweder an Gottes alles umfassender Güte oder an seiner grenzenlosen Macht zweifeln? Diese sogenannte Theodizee-Frage ist immer wieder Grund dafür, dass Menschen sich vom Gottesglauben verabschieden.

Andere haben sich dieser Herausforderung gestellt und eine Beantwortung versucht. Das ganze Christentum will eine Antwort darauf sein und es ist überzeugt, dass Gott im Angesicht von Leid und all dem Übel nicht teilnahmslos bleibt, sondern sich selbst auf das Leiden einlässt bis hin zum schändlichen Kreuzestod. Der Schriftsteller Ellie Wiesel kommt aus jüdischer Sicht zu einer ähnlichen Aussage, wo er eine grausame Hinrichtung in Auschwitz schildert und jemand ruft: «Wo ist nun Gott!» Und Ellie Wiesel fährt fort: «Eine Stimme in mir sagte: Dort. Er hängt am Galgen.»

Um die Theodizee-Frage wirklich zu beantworten, müssten wir den Blickwinkel Gottes einnehmen können. Aus Sicht seiner Ewigkeit sehen die Dinge gewiss nochmals anders aus. Der Apostel Paulus versucht einen Perspektivenwechsel, wenn er schreibt: «Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.» (Röm 8,22) Während einer Geburt können weder Mutter noch Vater die Mühsal und die Schmerzen verhindern, doch lassen sie sich für das neu entstehende Leben darauf ein.

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Das Aufbegehren gegen Leid und Grausamkeit ist der Beginn einer Geburt. Wer die Verantwortung nicht an Gott abschiebt, sondern sich fragt: «Will ich das geschehen lassen?» bzw. «Wie kann ich Leiden lindern und zu mehr Menschlichkeit beitragen?», der oder die bringt das Neue Gottes in die Welt.