Gedanken beim Entkernen eines Granatapfels

Ich esse gerne Granatapfelkerne. Sie sind süß und sie sind sauer. Sie sind knackig und saftig. Sie sind auch schön anzusehen, wie sie rot leuchtend glänzen. Der einzige Nachteil: Damit ich sie löffelweise essen kann, muss ich erst mal arbeiten. Aber ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, das Entkernen als eine Art meditative Auszeit zu betrachten.

Ich schneide in die Schale rund um den Blütenkelch vorsichtig einen Kreis, den ich wie einen Deckel abheben kann. Nun sieht man, dass die Kerne wie Schnitze in einzelnen Kammern angeordnet sind, getrennt durch eine dünne weisse Membrane. Wenn ich die Schale nun den Trennlinien der Schnitze entlang anschneide, kann ich den Granatapfel in diese Schnitze aufbrechen, und die Kerne lassen sich ziemlich gut herauslösen.

Ein Granatapfel fasziniert mich als lebendiger Organismus. Es ist für mich ein Bild für Zusammenhalt und Gemeinschaft. Ich frage mich, wie es möglich ist, dass die Kerne so gut mit Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt werden können. Etliche Kerne sind kaum mit der Schale verbunden. Andere hängen fest wie an einer Nabelschnur.

Sandro Botticelli, Detail aus der «Madonna mit dem Granatapfel» 1487. Bildquelle: wikimedia.commons

Beim Betrachten dieses Wunderwerks muss ich daran denken, wie Jesus sich und die Gemeinschaft derer, die ihm nachfolgen, mit einem Weinstock und mit Reben verglichen hat: «Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt und ich in ihm, bringt viel Frucht.» (Joh. 15, 5).
Tatsächlich hat sich in der Christlichen Kunst eine Tradition entwickelt, das Jesuskind mit einem Granatapfel darzustellen als Symbol für die Kirche.