Irdene Gefässe

Heute vor 112 Jahren, am 10. April 1912, startete der Passagierdampfer Titanic zu seiner Jungfernfahrt. Was ein paar Tage später geschah, ist hinlänglich bekannt: Das damals grösste Schiff der Welt, das als unsinkbar galt, kollidierte mit einem Eisberg und versank. 1514 Menschen verloren ihr Leben.

Zwei Jahre später begann der Erste Weltkrieg, und nach dieser vier Jahre dauernden Katastrophe war der zuvor schier unbegrenzte Fortschrittsglaube, der ungeheure Optimismus was die Möglichkeiten menschlicher Entwicklung anbelangte, aufs Schwerste erschüttert.

Der Untergang der Titanic wirkt wie ein erstes Zeichen für diese Erschütterung. Schnell wurde er auch religiös als Strafe oder Mahnung Gottes interpretiert: Der technische Fortschritt sei menschenfeindlich und widergöttlich.

Allerdings sind das Streben nach Erkenntnis, die Entwicklung von Wissenschaft und ihre Anwendung auf das praktische Leben zutiefst menschliche Eigenschaften. Aus der Perspektive des Glaubens kann man sagen, dass sie zu ihm als Geschöpf Gottes gehören. Gott hat uns so erschaffen.

Was das Drama der Titanic jedoch überdeutlich zeigt, ist die ebenso menschliche Neigung zur Selbstüberschätzung und Überheblichkeit. Unser Erkennen und Wissen sind immer nur Stückwerk.

Paulus, der grosse Denker des Glaubens, schreibt vom Menschen als „irdenes Gefäss“, in dem der Schatz der Erkenntnis Gottes aufleuchtet. Irdene Gefässe sind brüchig und können kaputt gehen. Und die Erkenntnis geht nur bis an den Rand des Gefässes – nicht darüber hinaus. Unbegrenzt ist einzig Gott, sagt der Glaube.

Abb: Willy Stöwer, Der Untergang der Titanic, 1912, in: Die Gartenlaube – Illustriertes Familienblatt, 1912, Berlin. Quelle: Wikimedia Commons