Judas im Paradies

Der heutige Gründonnerstag ist unter anderem der Tag, an dem sich Christ:innen die biblische Erzählung des Verrates Jesu durch Judas vergegenwärtigen. Judas – einer der zwölf Jünger – führt die Wachleute der Hohen Priester zu seinem Meister, damit sie ihn verhaften können. Einen Tag später wird Jesus gekreuzigt.

In der Geschichte des Christentums wurde Judas deshalb meist als hinterlistiger Verräter beschrieben. Dabei weiss man eigentlich nichts Genaues über seine Motivation zu dieser Tat. Zwei Evangelien berichten, der Satan sei in ihn gefahren. Neuere Deutungen sagen, eventuell habe er die Konfrontation Jesu mit seinen Widersachern aus strategischen Gründen herbeigeführt, damit dieser, in dem viele den langersehnten Messias Israels – den auch politischen Erlöser – sahen, sich zur Wehr setze und so einen Aufstand des Volkes auslöse, der dann zur Vertreibung der römischen Besatzungsmacht führen sollte. Dann wäre Judas kein Verräter, sondern ein Freiheitskämpfer, dessen Strategie in einem Desaster endet.

Bezeichnend ist jedenfalls, dass er in den biblischen Texten nicht als schlechter Mensch dargestellt wird. Vielmehr wird der „Verrat“ als schicksalhaftes Ereignis beschrieben, dem Judas auch ausgeliefert scheint. Eben zum Beispiel dann, wenn vom Satan die Rede ist, der sich seiner bemächtigt.
Und dies gibt es ja tatsächlich, dass Menschen in eine destruktive Dynamik geraten, aus der sie den Ausstieg nicht mehr finden. Schuld ist oft eher eine Verstrickung als rational erklärbares Tun.
Vor allem aber lesen wir im Matthäusevangelium, dass Judas sein Handeln bereut, als er dessen Konsequenzen erkennt! „Ich habe gesündigt, unschuldiges Blut habe ich ausgeliefert“, sagt er (Mt 27,4). Von allen verlassen begeht er dann Suizid.

Wieso sollte also für Judas nicht gelten, was Jesus am Karfreitag dem reumütigen Verbrecher am Kreuz neben ihm zuspricht: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,43)

Abb: Giotto, Verhaftung Christi, 1303 – 05, Cappella degli Scrovegni, Padova. Wikimedia Commons