Schnaufen
Ich war in einer vierten Klasse zu Besuch. Die Kinder sollten in ihre Hefte notieren, was sie nach den Ferien noch von der Photosynthese wissen. Es gab kein Kind, das nichts zu sagen wusste. Wesentliches haben alle verstanden. Die einen waren in der Lage, den Prozess der Photosynthese mit Fachbegriffen und chemischen Zeichen zu erklären. Es war von CO2 und H2O die Rede, von Kohlenstoffdioxid, Wasser und Energie, von Stärke und Blattgrün und Umwandlung. Ein Viertklässler hat eine ganze Formel aufschreiben können.
Ein Junge hat die Photosynthese etwa so beschrieben: Wir Menschen schnaufen. Wir schnaufen ein und wir schnaufen aus. Die Bäume und alle Pflanzen schnaufen auch ein und schnaufen aus. Was die Bäume ausschnaufen brauchen die Menschen. Was die Menschen ausschnaufen, das brauchen die Bäume. Es ist ein Kreislauf.
Indem er von «schnaufen» geschrieben hat – und zwar bei den Bäumen und bei uns Menschen, hat er fast «hörbar» gemacht was passiert und den Vorgang etwas weg von der Wissenschaft vom Leben hin zum Nachdenken über das Leben gerückt. Bei keinem der anderen Texte habe ich das Lebendige und die Verbindung zwischen allem Lebendigen so gespürt, wie in den Worten dieses Buben, der sich die Begriffe der Wissenschaft noch nicht merken kann, der aber begriffen hat, dass alles atmet und verbunden ist.
Wir schnaufen und die Bäume schnaufen.
Vom Kreislauf haben fast alle Kinder geschrieben.
Zumindest in diesem Moment, im Klassenzimmer, haben die Kinder wohl begriffen, dass es einen Zusammenhang zwischen ihnen und den Bäumen gibt. Der Blick aus dem Klassenzimmer geht übrigens hinaus ins Grüne, wo grosse Bäume stehen. Später haben die Kinder dort mit der Lehrerin gespielt und ich habe Hoffnung geschöpft.