Schön, streng, liebevoll

Strahlender Sonnenschein lockte mich am Sonntag nach draussen: Beim Spaziergang durch die prachtvolle Winterlandschaft blickte ich staunend über glitzernde weisse Felder, entdeckte Bäume, deren Äste sich von der Schneelast bis zum Boden neigten, und das alles wurde auf dem Hintergrund des kräftig blauen Himmels noch erhabener. Andere Menschen waren ebenfalls draussen unterwegs und genossen die wärmende Sonne und die weisse Pracht. In diesem Moment schien die Welt ganz von einer friedvollen Stimmung eingehüllt zu sein.

Schnee ist höchst erstaunlich, obwohl er aus nichts als Wasser besteht. In grosser Höhe beginnt dieses an winzigen Partikeln zu kondensieren und aufgrund der Kälte zu gefrieren. Es wachsen mikroskopische Kristalle mit sechseckiger oder sechsstrahliger Struktur, die alle individuell gestaltet sind und zu Abermilliarden zur Erde segeln. Die Schneedecke, die sie bilden, lässt Unvollkommenheiten verschwinden, dämpft Geräusche und dient den Pflanzen als Schutz vor dem Erfrieren.

Gemeinhin erscheint der Winter als eine unfreundliche Jahreszeit, die den Pflanzen, Tieren und Menschen das Leben schwer macht. Das genaue Hinschauen offenbart auch eine andere Seite. Winter schenkt die schützende Schneedecke, gemahnt die Lebewesen insgesamt zur Ruhe und zum Rückzug, und zeigt, wie wichtig Zeiten der Regeneration sind, um später wieder aufblühen zu können.

Beim sonntäglichen Spaziergang erlebte ich in der winterlichen Landschaft im selben Moment Schönheit, Strenge und Liebe. Das wurde mir zum Hinweis auf das gleichermassen schöne, strenge und liebevolle Göttliche. Unnachgiebig fordert es dazu auf, uns selbst und anderen Möglichkeiten zur Erholung und Ruhe zu gönnen. Liebevoll ist es immer wieder bereit, alte Fehler zuzudecken und einen neuen Anfang zu ermöglichen. Und es will, dass wir aufeinander achten, damit niemand an der Kälte in der Welt zugrunde gehen muss.