• Hinschauen

    Am 26. April 1937 – morgen vor 87 Jahren – zerstörten Bomber die baskische Stadt Guernica. Hunderte von Zivilist:innen kamen um. In Spanien tobte der Bürgerkrieg, die junge Republik kämpfte gegen rechtsextreme Putschisten unter General Franco. Kurz darauf zeigte Pablo Picasso das Gemälde „Guernica“ im spanischen Pavillon der Weltfachausstellung in Paris. Heute hängt es im Museum „Reina Sofia“ in Madrid. Das Foto hier ist eine Reproduktion als Fliesenwandbild in Guernica  selbst. In beklemmender Enge macht es den Horror spürbar: Aufgerissene Münder, ein panisch herumtrampelndes Pferd, Feuer. Anspielungen auf Motive der christlichen Kunst sind zu erkennen: Das Pferd wird von einer Lanze durchstochen und weist eine klaffende Wunde auf. Hinweise auf…

  • Jesus ohne Kreuz

    Letzte Woche habe ich ein Weg-Wort mit dem Titel „Kreuz ohne Jesus“ geschrieben. Darin habe ich gefragt, ob sich die Kreuzigung überhaupt angemessen darstellen lässt und meine Vorliebe für die Verwendung des Kreuzes ohne Jesus erklärt. Dieses verweise auf die Gegenwart des auferstandenen Jesus, die letztlich nicht zeigbar sei. Er sei nicht am Kreuz hängen geblieben. Das heutige Weg-Wort zeigt Jesus ohne Kreuz. Es handelt sich um eine Holzskulptur an der Chorwand der St. Katharinakapelle im Kloster Fischingen. Dieser Jesus ist nicht an ein Kreuz, sondern an die Wand genagelt. Ein Gekreuzigter ohne Kreuz? Oder vielmehr die an der Wand befestigte Skulptur eines Schwebenden? Oder eines Segnenden? Oder eines segnenden…

  • Kreuz ohne Jesus

    Das Kreuz ist das Ursymbol der christlichen Religion. Jesus – der Sohn Gottes – ist an einem Kreuz gestorben. Sein Leiden verstehen Christinnen und Christen als Zeichen der ganz besonderen Nähe Gottes zu den Menschen, die auch Schmerz, Krankheit und Sterben nicht ausklammert. Und indem Jesus nach dem Bekenntnis der Evangelien an Ostern auferstanden ist, können Christ:innen darauf vertrauen: Nicht einmal der Tod steht noch zwischen Mensch und Gott. Deshalb sieht man das Kreuz auf Kirchtürmen, in Kirchenräumen, als Abzeichen oder Schmuckstück. Besonders in katholischen Kirchen wird es meist mit dem daran hängenden Jesus dargestellt. Man nennt es Kruzifix. Mich spricht das Kreuz ohne Jesus mehr an, was wohl auch…

  • Irdene Gefässe

    Heute vor 112 Jahren, am 10. April 1912, startete der Passagierdampfer Titanic zu seiner Jungfernfahrt. Was ein paar Tage später geschah, ist hinlänglich bekannt: Das damals grösste Schiff der Welt, das als unsinkbar galt, kollidierte mit einem Eisberg und versank. 1514 Menschen verloren ihr Leben. Zwei Jahre später begann der Erste Weltkrieg, und nach dieser vier Jahre dauernden Katastrophe war der zuvor schier unbegrenzte Fortschrittsglaube, der ungeheure Optimismus was die Möglichkeiten menschlicher Entwicklung anbelangte, aufs Schwerste erschüttert. Der Untergang der Titanic wirkt wie ein erstes Zeichen für diese Erschütterung. Schnell wurde er auch religiös als Strafe oder Mahnung Gottes interpretiert: Der technische Fortschritt sei menschenfeindlich und widergöttlich. Allerdings sind das…

  • Judas im Paradies

    Der heutige Gründonnerstag ist unter anderem der Tag, an dem sich Christ:innen die biblische Erzählung des Verrates Jesu durch Judas vergegenwärtigen. Judas – einer der zwölf Jünger – führt die Wachleute der Hohen Priester zu seinem Meister, damit sie ihn verhaften können. Einen Tag später wird Jesus gekreuzigt. In der Geschichte des Christentums wurde Judas deshalb meist als hinterlistiger Verräter beschrieben. Dabei weiss man eigentlich nichts Genaues über seine Motivation zu dieser Tat. Zwei Evangelien berichten, der Satan sei in ihn gefahren. Neuere Deutungen sagen, eventuell habe er die Konfrontation Jesu mit seinen Widersachern aus strategischen Gründen herbeigeführt, damit dieser, in dem viele den langersehnten Messias Israels – den auch…